Kategorien
KLARAtext

Sag mal, geht’s noch?

Heute habe ich zum wiederholten Mal den Satz gelesen: „Warum gehen so viele auf die Straße?“ Sollte es nicht eher heißen, warum bleiben so viele Zuhause?
Eine kleine Rechenaufgabe: Wenn 100.000 auf die Straße gehen. Bei 80 Millionen? Wieviele Leute bleiben dann liegen? Also in ihren Betten oder in ihren Wohnzimmern, wo auch immer.Ich stand übrigens bei den Ausgangssperren 2020 auch um 21 Uhr im Pyjama auf der Strasse. Alleine. Mein Protest wurde nicht gehört.

Und der Protest der „Wir-laufen-dann-mal-freiheitlich-motiviert-hier-rum“ – Leute, ist ein Ausdruck von, ja von was?
Wut, Verzweiflung, Angst. Misstrauen, schlechter Kindheit, zu wenig Bananen? Weil sie etwas ungerecht finden? Weil sie sich missverstanden fühlen?Und warum gehen sie nicht auf die Straße, gegen wirkliche Ungerechtigkeit, das immer reicher werden von einer Handvoll Leute, gegen zu wenig Wohnraum, gegen Pflegenotstand, den Minimindestlohn, gegen Atomkraft, gegen Waffenlieferungen, gegen Großkonzerne, die keine Steuern zahlen, gegen, gegen, gegen,….?
Ich sollte aus demokratischem Verständnis heraus mit dieser seltsamen Wanderbewegung einverstanden sein, aber ich bin überhaupt nicht einverstanden, besonders nicht bei Gewalt gegen Journalisten, Polizisten oder gewählte Volksvertreter.
Ich hau so einem Andersdenker ja auch nicht gleich eins in die Fresse.
Obwohl, wenn ich da mal etwas länger drüber nachdenke,.. Das Gehen setzt normalerweise ein paar gesundheitsfördernde Prozesse in „Gang“. Eine Weite im Geist. Freiheit der Gedanken. Vorausgesetzt man wohnt im GeistREICH. Auf Asphalt rumzulaufen verengt leider die Hirnwindungen. Und macht Plattfüße.Lauft doch mal draußen im Wald. Dann seht ihr, wie schön es hier ist. Auf diesem Planeten. Ich spaziere dort nämlich am liebsten und zwar mit höchsten 2-3 Menschen, das reicht mir. Mir reicht es sowieso. Protest! Können wir uns jetzt bitte mal wegen wirklich wichtigen Dingen aufregen. Oder kann ich behilflich sein, bei den Spaziergängen? Ich suche Anschluß. Leider möchte niemand mit mir reden. Keine Chance auf einen Meinungsaustausch, weil es gar keinen Ansatz gibt, einfach nur ansatzweise in meiner Art des Denkens zu denken.
Ich habe es wirklich oft versucht. Und dann lächeln sie immer so mitleidig. Ich habe Bekannte, die schon immer das System, in dem sie allerdings satt und zufrieden sitzen, hassen. Und an eine Macht glauben, die das alles geplant hat. Früher steuerte einer, nämlich Gott, den ganzen Laden hier. Heute irgendwelche ominösen Die“s, die Da’s, also Die-da-oben’s.Wenn ich etwas schlecht oder ungerecht finde, schreibe ich an eine Zeitung, an einen Abgeordneten oder mache bei einer Kampagne mit. Ich bin wahrscheinlich auf Platz 1 der UserInnen der „Sag-es-uns“ App der Stadt Köln. Da sag ich fast täglich, was mir nicht paßt. Zum Beispiel, daß der Grüngürtel noch enger geschnallt werden soll, wegen dem FC, daß es Pläne für eine U-Bahn unter der Mauritiuskirche gibt, damit der Boden da so hübsch wackelt und daß es keine Beleuchtung auf dem Radweg am Rheinufer gibt, damit die Frauen dort weiter Angst haben.
Ihr wißt ja, mein kleines Rebel-Ich. Hab ich schon seit der Grundschule, mußte mich da immer für irgendwen einsetzen und bekam dabei selber am meisten Ärger. Ich hab trotzdem nicht damit aufgehört. Liegt wohl in meinen Genen. Aber diese Proteste sind für mich zum Gähnen.Weil das „Ich-bin-dagegen“ – Schreien in der Masse so einfach fällt, ohne daß man weiß, um was es wirklich geht. Hauptsache gut gebrüllt.
Sagt mal, geht’s noch? Verdammt nochmal, reißt euch bitte zusammen. Ihr braucht ne härtere Gangart? Dann mir nach.
Ich spiel auch Blockflöte.Wie damals der Typ in Hameln. Ich führe euch auf den rechten Weg,…ähm, sorry, wir biegen hier mal links ab. (Jetzt wäre ich beinahe über einen Stein gestolpert.)