„Alles gut“, sagte neulich wieder jemand zu mir und „ich bin da ganz bei dir.“
Gut?
Nichts ist gut und ich bin, es tut mir leid, wenn ich das so sagen muß, außer mir. Und zwar ständig.
Bei jedem kleinsten fehlgeleiteten Ton meines Gegenübers, einer Nachricht, die mir nicht passt, einer falschen Frage von Marietta Slomka im ZDF, entzündet sich ein vulkanartiges Toben und Beben in mir und leider schreie ich dann den nächstbesten Menschen in meiner Umgebung nieder. Meistens meinen wunderbaren Ehemann oder eine liebe Freundin. Das tut mir ein bißchen leid, aber mein Therapeut sagt, ich solle meinen Gefühlen Ausdruck verleihen. Ein sehr künstlerischer Prozess, statt Ausdruckstanz, ausdrucksstarkes Gebrüll. Unkontrolliertes Rumschreien liegt ja gerade im Trend. Neben den Morddrohungen, die ja schon zum guten Ton gehören. Allerdings achte ich darauf, niemandem körperlichen Schaden zu zufügen und auch nichts zu zertrümmern, außer vielleicht die goldgerahmten Sammeltässchen meiner Großmutter.
Andererseits bleibe ich so im Training, also im Stimmtraining, da ich eh keine Auftritte habe, trainiere ich so meinen Metallsound. Das mit den Auftritten war aber schon in der Zeit vor C. also nicht Christus, sondern Corona so.
Zu ART(ig), zu wenig Mainstream, nicht jung, nicht blond genug,…was auch immer, nicht schlimm. Ich mache nur noch das, was mir Spaß macht.
Meine CD ist fertig, bekommt nur keiner mit, weil ich nicht gut genug TicTocke, aber immerhin ticke ich noch ganz richtig. Irgendwie ist mir das eine Instagram auch ein Gramm zu viel.
Ich facebooke noch ein bißchen vor mich hin. Hey, ich bin da treu verbunden und trenne mich nicht gerne. Da sind nette Leute, die ich fast alle persönlich kenne, wieso sollte ich sie verlassen?
Ich poste also ein neues Profilbild, bekomme 100 likes. Vielen Dank, ich freue mich.
Ich poste mein neues Album, bekomme 10 likes. Vielen Dank. Ich bin irritiert.
Daher trage ich meine CDs jetzt als Schmuck und binde sie mir in die Haare und – poste demnächst beides, mal sehen was passiert. Gebt mir 1000 likes.
Meine Frustrationsgrenze ist flexibel. Ich trage jetzt immer einen kleinen Taschentherapeuten in meiner Jacke mit mir rum und befrage ihn, was er denn so denkt. Das beruhigt ungemein, ich bin dann auch nicht mehr alleine unterwegs, habe einen Gesprächspartner und fühle mich ganz leicht.
Ich bin angekommen. Ganz bei mir. Alles gut;-)